Mainz persönlich: Stefan Moster. Autor.

NERINGA – oder die andere Art der Heimkehr steht im Mittelpunkt des Mainzer Lesefestes „Mainz liest ein Buch“, das vom 18. September bis zum 25. September 2022 dauert. Gemeinsam mit Stefan Moster und in Kooperation mit der Mainzer Buchhandlung Erlesenes & Büchergilde bieten wir am 21. & 24. September Stadtführungen an, die sich auf den Spuren des Buches bewegen. Wir freuen uns, dass der Autor sich die Zeit für ein Mainz persönlich-Interview genommen hat! (Titelfoto (c) Mathias Bothor)

Schon im Vorfeld, insbesondere aber während des Lese-Festivals, dreht sich in Mainz alles um dein Buch „NERINGA“. Wie fühlt sich das an, für dich?

Stefan Moster  Einerseits habe ich das Gefühl, dass es fast zu viel der Ehre ist. Andererseits dreht sich das Festival ja mehr um das Buch als um mich. Und dass mein Roman auf diese Weise ein neues Leben geschenkt bekommt, freut mich wirklich sehr.

Unruhig, ständig auf der Suche, hin und her gerissen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, Heimat und Fremde, wirkt der Protagonist deines Romans. Wie ist NERINGA entstanden? War viel Recherchearbeit, insbesondere für die Mainz betreffenden Szenen, im Vorfeld nötig?

Stefan Moster   Um die Unruhe des Protagonisten zu erfassen, musste ich nicht recherchieren. Da genügte die Einbildungskraft. Für die Mainz betreffenden Szenen habe ich mich hingegen schon schlau gemacht und bin z. B. im Stadtarchiv gewesen, um mich über die Geschichte des Holzpflasters in der Stadt zu informieren. Man muss aber immer aufpassen, dass man einen Roman nicht „totrecherchiert“. Die Fakten sollen der Geschichte dienen und ihr nicht die Luft abdrücken.

NERINGA ist in der Ich-Perspektive geschrieben. Wieviel steckt tatsächlich drin von Stefan Moster, in diesem Buch? Wie autobiographisch ist es?

Stefan Moster   In jedem Roman steckt der ganze Autor drin. Meine Art zu denken, die Welt zu sehen, den Dingen Bedeutung beizumessen ist in NERINGA voll und ganz enthalten. Aber das heißt nicht, dass der Roman autobiografisch wäre. Allerdings war tatsächlich mein Großvater das Vorbild für den Großvater des Protagonisten. Insofern bewegt sich der Roman dicht an einem Teil meiner Lebensgeschichte.

NERINGA ist ein eher psychologisches Buch. Der Name gehört im Buch zu einer Frau, ist zugleich aber auch die Bezeichnung eine Stadt in Litauen, auf der Kurischen Nehrung. Warum diese Namensgebung?


Stefan Moster    Neringa ist Litauerin und braucht also einen litauischen Namen. Neringa habe ich gewählt, weil es gut klingt, aber auch anders, als wir es vom Deutschen her gewohnt sind. Der Name soll auf die Leser:innen ähnlich wirken, wie die Person auf den Protagonisten: nicht ganz fremd, nicht ganz vertraut, eigen. Hinzu kommt, dass der Name in einem litauischen Mythos auftaucht, in dem Neringa diejenige ist, die einen schützenden Wall errichtet. Und das schien mir zu einer Frau zu passen, bei der mein Protagonist Zuflucht sucht (und findet).

Wie wichtig ist dir der persönliche Kontakt zu deinen Lesern?

Stefan Moster     Wenn mir ein Leser oder eine Leserin sagt oder schreibt, eines meiner Bücher habe ihm oder ihr etwas bedeutet, dann ist mir das mehr wert als jede noch so positive Rezension in einer Zeitung. Es ist die große und entscheidende Bestätigung für das, was ich tue.

Wirst du in Mainz während des Lese-Festivals Zeit haben, Gespräche zu führen, an Veranstaltungen teilzunehmen?

Stefan Moster    Aber ja. Ich werde an vielen Veranstaltungen teilnehmen und hoffe, dass es zum Austausch kommen wird. Genau darauf freue ich mich eigentlich am meisten.

Was verbindet dich heute noch mit Mainz?

(c) Mathias Bothor

Stefan Moster   Meine Eltern leben in Mainz. Das ist die engste Verbindung. Die zweitengste Verbindung kommt daher, dass es meine Heimatstadt ist, aufgeladen mit Erinnerungen. Diese Verbindung wird nie abreißen.

Natürlich gibt es auch für dich persönlichen Fragen, wie sie für den Best of Mainz-Blog üblich sind.

Wie sieht der beste Moment des Tages für dich aus?

Stefan Moster   Das will ich nicht beantworten, weil ein Teil der Antwort zu intim wäre. Das kann ich aber auch nicht beantworten, weil es für mich nicht den besten Moment des Tages gibt. Gute Tage bestehen aus vielen besten Momenten. Ich gehöre zu den Menschen, die sich an Kleinigkeiten freuen können. Ich freue mich über jedes Frühstück, auch wenn es dem des Vortages gleicht, und erst recht freue ich mich über die Mauersegler, die ich dabei vom Küchenfenster aus beobachte. Lauter beste Momente. Und dann geht der Tag erst richtig los.

Was inspiriert dich?

Stefan Moster   Mich inspiriert, wenn zwei Elemente aufeinandertreffen und dabei Energie freisetzen. Zu NERINGA hat mich z. B. inspiriert, dass ich das Bild meines Großvaters im Kopf hatte, der die Große Bleiche mit Holz pflastert, und dass auf dieses Bild dann das Wissen über den Brand der Großen Bleiche bei der Bombardierung stieß, der besonders heftig war, weil die Straße mit Holz gepflastert war. Mit Holz aus der Hand meines Großvaters.

Was schätzt du an Mainz?

Stefan Moster    Die Stadt hat ein sympathisches Gesicht, finde ich. Es gibt schöne Stellen im klassischen Sinn, aber auch prächtige Ansammlungen von Bausünden, die davon zeugen, dass nicht immer alles perfekt gelaufen ist in Sachen Stadtplanung. Das gefällt mir. Und die Kommunikationsfreude der Eingeborenen schätze ich ebenfalls.

Wie sieht dein schönster Tag in Mainz aus?

Stefan Moster   Mit dem Fahrrad zum Gonsenheimer Waldriedhof, an der Nothelferkapelle vorbei ins alte Gonsenheim, weiter ins Gonsbachtal und dann in die Innenstadt. Dort das Fahrrad einem Bettler aus Rumänien schenken, dem sonst niemand auch nur eine Münze in den zerknautschten Kaffeebecher wirft. Durch die warmen Straßen streifen. Abkühlung im Dom. Besinnung in der Gotthard-Kapelle. Zu Fuß weiter in eine Buchhandlung. Dort ein Buch kaufen. Anschließend in einem Café einen Kaffee aus einer echten Tasse trinken und dabei im neuen Buch lesen, bis jemand das Café betritt, den ich seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen habe. Versacken.

Verrätst du uns deine Pläne für die Zukunft?

Stefan Moster   Ich bin nicht so der große Planer. Außerdem erscheint im September ein neues Buch von mir und ein weiteres Romanmanuskript habe ich gerade fertig, sodass ich im Moment sehr gelassen in die Zukunft blicke. Zuerst habe ich nun ein paar Bücher zu übersetzen. Gleichzeitig will ich mir Gedanken darüber machen, mit welchem Romanstoff ich mich als Nächstes befassen will. Ein mögliches Thema hätte sogar mit Mainz zu tun. Allerdings auch mit China und Hongkong.

Das hört sich sehr spannend an! Herzlichen Dank für das Interview, Stefan. Wir freuen uns auf unsere gemeinsamen Veranstaltungen und das große Lesefest im September in Mainz

Neugierig? Nix wie hin!
Die Termine:
Mi, 21.09.2022
– 17.00-19.00 Uhr | Sa, 24.09.2022 – 11.00-13.00 Uhr
Abschluss jeweils in der Buchhandlung Erlesenes & Büchergilde, Neubrunnenstraße 17, Mainz
Preis: 26,00€ (Preis für Stadtführung in Begleitung des Autors inkl. Wein)
Weitere Informationen & Anmeldung hier.

Mitwirkende: Stefanie Jung, Stefan Moster & Silke Müller.

Das Buch

NERINGA oder Die andere Art der Heimkehr,
Taschenbuch (12,00 EUR) Roman
ISBN: 3866486448, Mare Verlag

 

Zur Person
Stefan Moster, am 16. August 1964 in Mainz geboren und aufgewachsen, ist  Schriftsteller, sowie mehrfach ausgezeichneter Übersetzer  finnische Literatur. Sein Lebensmittelpunkt befindet sich in Berlin und in Finnland. Für das Mainzer Lesefest „Mainz liest ein Buch“, das vom 18.September bis zum 25. September 2022 dauert, reist er eigens nach Mainz.

Dieser Beitrag wurde in Kooperation mit Erlesenes & Büchergilde erstellt.

 

 

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