Günter Schenk beschäftigt sich seit vielen Jahren als Autor mit der Mainzer Fastnacht. Für seine zahlreichen Veröffentlichungen zu deutschen und europäischen Fastnachtsbräuchen wurde der ZDF-Journalist und Buchautor mit dem Kulturpreis der Deutschen Fastnacht ausgezeichnet. Best of Mainz war im Gespräch mit ihm: Über die Fastnacht, sein Buch „Die Mainzer Fastnacht“ – und natürlich das Leben in Mainz.
„Günter, Hand aufs Herz: Feierst du Fastnacht?“
Günter Schenk Natürlich, aber nicht immer in Mainz. Und weil die Fastnacht für mich das ursprünglichste aller Feste ist, bin ich viel unterwegs um zu sehen, wie andere Fastnacht feiern. Von Portugal bis Polen, von den Niederlanden bis Malta, habe ich so schon Fastnacht erlebt. Auch wenn es das gleiche Fest ist, das da überall in Europa vor Aschermittwoch gefeiert wird, sieht es überall ein bisschen anders aus. Vielfalt im Gleichen, das ist das Geheimnis, das ich Jahr für Jahr immer neu zu entschlüsseln suche. Letztes Jahr habe ich allerdings bei den Recherchen für das neue Buch mal wieder die komplette Fastnachtszeit in Mainz verbracht. Schade, dass der Hauptakkord des Festes vom Winde verweht wurde….
Wo liegt der Ursprung, für dieses ausgeprägte Interesse an der 5. Jahreszeit und all ihre Begleiterscheinungen?
Günter Schenk Als Schüler war ich bei der Pfarrei- und Schulfastnacht aktiv. Am Mainzer Schlossgymnasium, wo viele berühmte Fastnachter zur Schule gingen oder als Lehrer tätig waren, gab es ja eine Zeitlang legendäre Schulsitzungen. Später habe ich das Fest dann mehr und mehr journalistisch begleitet und zahlreiche Bücher und Filme gemacht, die einen Blick hinter die Kulissen der Fastnacht werfen.
Die Mainzer Fastnacht hat mich schließlich so fasziniert, dass ich viele Jahre lang fast meine komplette Freizeit in der Stadtbibliothek und anderen Archiven verbrachte, um vom Jahr 1820 an alle Mainzer Tageszeitungen zu lesen, die zwischen Neujahr und Aschermittwoch erschienen sind. Alles wichtige, was dort zur Fastnacht stand, habe ich mit der Hand in kleinen Heften aufgeschrieben. Am Ende war mir endgültig klar, dass die Mainzer Fastnacht mehr ist als ein lustiges Trallala.
Neben all den vielen Veröffentlichungen zur Mainzer Fastnacht gibt es von dir diesen schön fotografierten Bildband speziell zur Mainzer Fastnacht. Dabei bleibt jetzt keine Frage zur 5. Jahreszeit mehr offen, oder?
Günter Schenk Doch, doch. Auch wenn viele behaupten, man solle nicht über die Fastnacht schreiben, sondern einfach feiern, bin ich ihrem Geheimnis noch immer auf der Spur. Phänomene und geschichtliche Entwicklung der Mainzer Fassenacht sind jetzt, glaube ich, genug beschrieben. Erklärt ist, woher die Fastnachtsfarben stammen, warum Helau gerufen wird, was es mit dem Narrhallamarsch auf sich hat, was ein Komitee ist oder woher der Name Rosenmontag stammt. Nachlesen kann man auch, wie seit 1837/38 die Mainzer närrisch organisiert waren und sind.
Was mich jetzt interessiert, ist die Frage, welchen Sinn das Ganze hat. Auch wenn es das viel zitierte Fastnachtsgen biologisch höchstwahrscheinlich nicht gibt, ist es spannend zu erfahren, was die Mainzer Fastnacht ausmacht – und wie sie zukunftsfähig zu gestalten ist.“
Als Kulturpreisträger der Deutschen Fastnacht übst du bisweilen mächtig Kritik an der „Karnevalisierung des Alltags“. Und die Überschrift deines Prologs im neuen Buch lautet „Nur einmal im Jahr ist Fassenacht“. Was willst du damit sagen?
Günter Schenk Fassenacht ist kein Event, der nicht an Zeit und Tradition gebunden ist, sondern an den Kontostand seines Veranstalters. Fassenacht aber ist ein Fest, das sich das Volk – gewöhnlich in Gestalt eines Karnevalsvereins – selbst gibt. Man kann Fastnacht auch nur einmal im Jahr feiern – zu seinem seit Jahrhunderten bewährten Termin an der Schwelle zur österlichen Fastenzeit. Deshalb ist die Fastnacht auch einmalig und ihr Höhepunkt an den Rosenmontag gebunden. So wie Weihnachten oder Ostern hat sie ihren festen Platz in unserem Leben. Wer den verrückt, beschleunigt die kulturelle Demenz in unserer Gesellschaft.
Wenn wir unseren Alltag immer mehr karnevalisieren, also Maske und Kostüm nicht mehr zu närrischen Rollenspielen nutzen, sondern sie wie Trachten tragen, verlieren sie an Reiz. Schlimmer noch ist der Irrglaube, Fastnacht müsse lustig sein. Ich kann mich an viele Tränen an den Tagen vor Aschermittwoch erinnern, die nicht vom Lachen kamen. Voller Lust aber muss das Fest immer sein, das ist die Kraft, der es sein Überleben verdankt… “
Hat die Angst vor Terror und Gewalt, die seit dem Anschlag in Berlin scheinbar größer geworden ist, auch Auswirkungen auf die Fastnacht?
Günter Schenk In der Mainzer Innenstadt werden wir am Rosenmontag mit noch größeren Sicherheitsmaßnahmen leben müssen, werden die Personenkontrollen sicher weiter ausgeweitet, vielleicht sogar neue Sperrzonen eingerichtet. Das könnte den einen oder anderen vom Besuch des Zuges abhalten. Auch sind noch mehr Kontrollen und noch mehr Polizei sicher keine erstrebenswerten Rahmenbedingungen für das größte Mainzer Volksfest.
Für die Fastnacht insgesamt ist das aber kein Schaden. Im Gegenteil: Die jetzigen Zeiten bieten die große Chance, Neues zu entdecken. Viele haben nämlich vergessen, dass auch in den Mainzer Vororten und vielerorts in Rheinhessen Fastnacht gefeiert wird, die meist spontaner ist und näher an den Menschen als genormte närrische Events. So wird die Kneipenfastnacht vom Zeitenlauf ebenso profitieren wie Hausbälle und andere, eher familiär orientierte Fastnachtsfeiern.
Die nämlich bieten Terroristen kein Ziel, mit dem sie sich profilieren können. So betrachtet sehe ich der neuen Kampagne mit großer Zuversicht entgegen.
Unserer Lebensfreude wird die Terrorangst zumindest in Sachen Fastnacht nichts anhaben – und wenn wieder mehr Fastnacht und weniger Party gefeiert wird, tut das dem größten Mainzer Volksfest nur gut.
Kommen wir zu unseren persönlichen Fragen, wie sie für den Best of Mainz-Blog üblich sind: Wie sieht der beste Moment des Tages für dich aus?
Günter Schenk
Heute ist es Dein Besuch, Stefanie! Morgen kann es eine Kino- oder Theatervisite sein, übermorgen ein Gläschen Rheinhessen-Wein oder ein feines Essen. Gute Momente sind aber immer, wenn das Ich im Wir aufgehoben ist.
Was inspiriert dich?
Günter Schenk Mich spornt die Lust, Neues zu entdecken, journalistisch an. Das gilt für meine Reiseführer ebenso wie für die Bücher zur Fastnachtsgeschichte. Fakten sind wichtig, spannend ist die Story dahinter.
Was liebst du besonders an Mainz?
Günter Schenk …dass die Großstadt noch etwas von einer Kleinstadt hat. Die Vororte haben ihr eigenes Gesicht. Und die Innenstadt ist übersichtlich und liebenswert, wie man so schön sagt. Mainz bleibt so auch meins.
Wie sieht der perfekte Tag in Mainz für dich aus?
Günter Schenk Was ist schon perfekt? Manchmal reicht es schon, wenn die Sonne einem schon früh morgens mit ihrem Strahlen weckt, der Hund am Bett steht und sich auf seinen ersten Ausgang freut.
Verrätst du uns deine Pläne für die Zukunft?
Günter Schenk Ich will weiter Bücher schreiben. Allerdings habe ich mir auch vorgenommen, nicht mehr ganz so viel Zeit am Schreibtisch zu verbringen. Mal sehen, ob das klappt…
Vielen Dank Günter Schenk, für dieses interessante Gespräch!
Neugierig?
Die Mainzer Fastnacht
von Günter Schenk
Die Mainzer Fastnacht in Geschichte und Gegenwart behandelt dieses umfangreiche Buch zum größten Mainzer Volksfest. Tauchen Sie ein in die Welt der Narren und erleben Sie den kulturellen Reichtum der fünften Jahreszeit! Getreu dem Motto: »Hier bin ich Narr, hier darf ich’s sein, an Fassenacht in Mainz am Rhein!«
Die Mainzer Fastnacht
Konrad Theiss-Verlag, Hardcover, ISBN: 9783806233384, 152 Seiten, Illustrationen: 122 Illustrationen, 29,95 Euro
Erhältlich überall im Buchhandel sowie im Internet.